Die Datenblätter von Quarzen und Oszillatoren enthalten oft Halbwahrheiten und verwirren mehr, als dass sie helfen. Wer die Produkte verschiedener Anbieter vergleichen will, muss über tiefgehendes Detailwissen verfügen.
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Wege durch den Datenblattdschungel

Die Datenblätter von Quarzen und Oszillatoren enthalten oft Halbwahrheiten und verwirren mehr, als dass sie helfen. Wer die Produkte verschiedener Anbieter vergleichen will, muss über tiefgehendes Detailwissen verfügen. Und darauf kommt es an.

Aufgrund der technischen Komplexität gilt der Taktgeber, ob nun der »einfache« Schwingquarz oder der werksseitig abgestimmte Oszillator, noch häufig als das Problemkind auf der Leiterplatte. Dessen korrekte Spezifizierung stellt viele Anwender vor enorme Herausforderungen, weil oftmals schlichtweg das nötige Detailwissen fehlt. Ein Übriges tun aber sicherlich auch die teils sehr irreführenden Datenblattangaben der zahlreichen Hersteller und Händler, die es dem Anwender, ob nun mit oder ohne Vorsatz, zusätzlich erschweren, die richtige Auswahl zu treffen. Prinzipiell gilt, wie bei den meisten anderen elektronischen Bauelementen auch, dass nur ein vollständig und korrekt spezifizierter Taktgeber ein guter Taktgeber ist.

Auch wenn für die Spezifizierung von Schwingquarzen und Oszillatoren einige Punkte essenziell sind, folgt deren Angabe auf den Datenblättern der zahlreichen Hersteller und Anbieter nicht immer demselben Muster. Bei manchen vermeintlich seriösen Anbietern findet man gelegentlich Datenblätter mit schön formuliertem Text, überzeugend wirkenden Zahlen, ansprechenden Marketingphrasen aber leider Halbwahrheiten in Bezug auf die Spezifikationen. Das Problem ist nicht unbedingt, dass die Daten zurückgehalten werden, sondern dass sie auf verwirrende Weise vermischt werden.

Zum einen ist der Aufbau der Datenblätter immer etwas anders und einige Punkte werden gezielt hervorgehoben oder in den Hintergrund gerückt. Zum anderen muss auch genauestens da rauf geachtet werden, in welchen Einheiten die gemachten Angaben spezifiziert sind. Ein direkter Vergleich fällt da meist sogar erfahrenen Anwendern schwer.

Ärgerlich kann es allerdings werden, wenn übersehen wird, dass es sich auf zwei zu vergleichenden Datenblättern um unterschiedliche Parameter handelt, die dort unter scheinbar demselben Punkt aufgeführt sind, und der Anwender dann sprichwörtlich Äpfel mit Birnen vergleicht.

Im besten Fall haben die Abweichungen keine Auswirkungen auf die Anwendungen und die Unterschiede fallen gar nicht auf. Wirklich frustrierend kann es werden, wenn beispielsweise beim Einsatz eines Alternativbauteils die Abstimmung der Oszillatorschaltung einfach nicht mehr passen will. Erst recht, wenn während der Entwicklung unter optimalen Bedingungen noch alles einwandfrei funktioniert hat und der Fehler dann erst im Feld unter Realbedingungen zu Ausfällen führt. Wie sonst auch, gilt auch für Datenblätter: Glauben Sie nicht alles, was Sie lesen, und hinterfragen Sie zweifelhafte Angaben, anstatt sie blind zu akzeptieren.

Spezifikation - korrekt und vollständig

Korrekte Spezifikation
Ersatzschaltbild des Quarzes: Durch den Lastkondensator CL ergibt sich der Lastresonanzwiderstand RL = ESR.

Wenn der energieeffiziente Oszillator zum Stromfresser wird

Bei der Auswahl des für die Anwendung geeigneten Oszillators (XO) ist, neben den üblichen erforderlichen Spezifikationen wie Bauform, Frequenz, Arbeitstemperaturbereich, Frequenzstabilität, Ausgangssignal, Versorgungsspannung sowie den Jitter- und PhaseNoise-Werten, auch immer öfter der Stromverbrauch ein wichtiges Merkmal. Bei Anwendung mit Netzstromversorgung ist der Stromverbrauch eher unkritisch. Geht es allerdings um batterie- oder akkubetriebene Anwendungen, wird der Stromverbrauch zum entscheidenden Auswahlkriterium.

Die Angaben zum Stromverbrauch sind in jedem Datenblatt gut zu finden. Allerdings gilt es, die Angaben der verschiedenen Hersteller vor dem Vergleichen genauestens zu prüfen. Oftmals lassen sich sehr überzeugend niedrige Stromverbräuche finden, die sich bei genauerer Betrachtung dann aber fast schon als Täuschungsversuch entpuppen, wenn man hinter den Werten in mA dann die Anmerkung without Load (ohne Last) entdeckt. Diese Angabe ist natürlich irreführend, weil ein Oszillator ohne Last zu treiben in der Schaltung eigentlich keine Funktion ausübt. Vergleichbar wäre das mit einem Automotor ohne Antriebsstrang, bei dem die Kraft nicht auf die Straße übertragen wird. Im Datenblatt zeigen seriöse Angaben zum Stromverbrauch also immer praxisgerechte mA-Werte – bestenfalls Maximalwerte anstatt Angaben ohne Last.

Natürlich erscheinen die niedrigeren »Stromverbräuche« ohne Last in einem besseren Licht, und passt man nicht genau auf, greift man zu einer vermeintlich stromsparenden Alternative, ohne einen wirklichen Nutzen für seine Anwendung zu haben.

Eine realistische Angabe zum Stromverbrauch ist, neben dem verwendeten IC, ebenfalls abhängig von der Frequenz, der Versorgungsspannung und der zu treibenden Last. Generell lässt sich festhalten, dass höhere Frequenzen, eine größere Versorgungsspannung und eine höhere zu treibende Last auch einen höheren Stromverbrauch bedingen. Zum Beispiel:

  • 20.000MHz; 1.8V; bei 15pF => 3mA
  • 20.000MHz; 2.5V; bei 15pF => 4mA
  • 20.000MHz; 3,3V; bei 15pF => 5mA
  • 20.000MHz; 3,3V; bei 30pF => 8mA
  • 50.000MHz; 1.8V; bei 15pF => 8mA
  • 50.000MHz; 2.5V; bei 15pF => 9mA
  • 50.000MHz; 3,3V; bei 15pF => 10mA
  • 50.000MHz; 3,3V; bei 30pF => 12mA

Ein falscher Widerstand gefährdet die Anschwingsicherheit

Selbst in den Datenblättern von Schwingquarzen können Fallstricke verborgen sein, die es dem Anwender schwer machen. Neben der Bauform, der benötigten Ausgangsfrequenz, der erforderlichen Frequenztoleranz bei 25 °C und der Frequenzstabilität über den Arbeitstemperaturbereich, sowie der geeigneten Lastkapazität für die Oszillatorschaltung, ist der ESR-Wert (ESR, Equivalent Series Resistance; ursprünglich auch Lastresonanzwiderstand RL) eine nicht unwesentliche Eigenschaft, die es bei der Auslegung einer stabilen Oszillatorschaltung zu beachten gilt. Der ESR-Wert wirkt sich maßgeblich auf die Anschwingsicherheit der Oszillatorschaltung aus und sorgt im schlimmsten Fall dafür, dass ein System nicht »anläuft«.

Anstelle des eigentlich sinnvollen ESR-Wertes oder Lastresonanzwiderstandes RL findet man in neueren Datenblättern häufig den dynamischen Widerstand R1 angegeben, der immer kleiner als der eigentliche ESR-Wert des Schwingquarzes ist. Den meisten Anwendern ist nicht bewusst, dass R1 für die Berechnung der Anschwingsicherheit überhaupt keine Bedeutung hat, weswegen diese Angabe in den Datenblättern eher als Bauernfängerei zu bewerten ist. In der Praxis sieht der Anwender dann nur den erstaunlich niedrigen Ohm-Wert und tappt in die Falle. Oft wird dann ein Quarz, in dessen Datenblatt der echte ESR-Wert angegeben ist, nicht freigegeben, weil dieser fälschlicherweise mit dem natürlich niedrigeren Wert R1 aus dem Datenblatt des Wettbewerbers verglichen wird.

Weil der ESR-Wert (RL) direkt in die Berechnung der Anschwingsicherheit eingeht, wirkt er sich wesentlich aus. Die Anschwingsicherheit (Circuit Margin, Cm) einer Oszillatorschaltung lässt sich mit der links stehenden Formel berechnen.

Der ESR-Wert wiederum setzt sich aus dem dynamischen Resonanzwiderstand R1 und einem Faktor zusammen, in welchen die Werte für C0 und CL direkt einfließen.

Dabei können, je nachdem wie C0 und CL wertemäßig liegen, die Werte von R1 zu ESR sogar bis Faktor ~ 3 auseinanderliegen. Zum Beispiel:

  • C0 = 4.5pF, CL=6pF, ESR=60Ω => Ergebnis ESR 60Ω; R1=19.60Ω -> Faktor ~ 3
  • C0 = 3pF, CL=12pF, ESR=60Ω => Ergebnis ESR 60Ω; R1= 48Ω -> Faktor 1.25

Die folgende Tabelle zeigt den Faktor zwischen R1 und ESR in Abhängigkeit von C0 und CL im Überblick.

Korrekte Spezifikation

Es lässt sich deutlich erkennen, dass R1 keineswegs dem tatsächlichen ESRWert (RL) entspricht. Dies muss man als Anwender unbedingt beachten, wenn es an das Vergleichen von Schwingquarzen geht, um die perfekte Lösung für seine Anwendung zu finden. Im Umkehrschluss lässt sich somit anhand des Datenblattes bereits erkennen, welcher Quarzhersteller bzw. -anbieter sein Handwerk versteht und wer nur versucht, seine Kunden mit vermeintlich niedrigen Ohm-Werten hinters Licht zu führen.

WDI begleitet seine Kunden durch den Dschungel der unterschiedlichsten Datenblattangaben und unterstützt sie insbesondere im Entwicklungsumfeld bei der Spezifizierung und Auswahl des für sie richtigen Quarzes sowie baugleicher Alternativen und Second Sources. Von der Erstbemusterung und eventuell notwendigen Schaltungsanalysen, über die Prototypen- und Vorserienbelieferung bis hin zur klassischen Distributionsdienstleistung während der Serienfertigung wird dafür gesorgt, dass die Auswahl geeigneter Taktgeber und Alternativen nicht zum Albtraum wird.

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